Sylt ist für vieles bekannt, nicht aber unbedingt dafür, die Geburtsstätte des deutschen Wellenreitens zu sein. Zwei Sylter wollen das ändern. Mit ihrer Ausstellung „LSF52 Surf + Strand Kultur Sylt“ im Sylt Museum blicken Angelo Schmitt und Dennis Bullen auf die faszinierende Geschichte des Surfens, die mehr als 70 Jahre zurückreicht und die Insel so nachhaltig prägen sollte wie kaum eine andere Sportart. Sie verstehen die Ausstellung als „Hommage an die Vorreiter der Wellen“, die den Surfspirit nach Sylt brachten und mit Leben füllten. 

„Die Entwicklung des Surfens und der damit verbundenen Strandkultur ist für die jüngere Sylter Geschichte immens wichtig und bislang in der Öffentlichkeit noch nicht im vollen Umfang bekannt – das wollen wir mit dieser Ausstellung ändern“, so Museumsleiter Alexander Römer, der die Ausstellung gemeinsam Angelo Schmitt und Dennis Bullen erarbeitet hat. Bereits im Jahr 1952 wurden die ersten Wellen vor Sylt gesurft – in Tauchanzügen oder auch ganz ohne Neopren auf glitschigen und sperrigen Holzplanken. Eng verknüpft mit dem Surfen und seit über 150 Jahren ebenfalls Teil der Sylter Strandkultur sind die Rettungsschwimmer der Insel, die damals wie heute für die Sicherheit der Menschen im und am Wasser sorgen.

Vorreiter der Wellen: Mit seinem über drei Meter langen Rettungsbrett surfte Uwe Drath 1952 die ersten Wellen vor Sylt. © Archiv Drath

Vorreiter der Wellen: Mit seinem über drei Meter langen Rettungsbrett surfte Uwe Drath 1952 die ersten Wellen vor Sylt. © Archiv Drath

Mit seiner Entdeckung gilt Uwe Drath in der Szene als Surfpionier
Sie waren es auch, die Anfang der 1950er Jahre versuchten, die ersten Wellen vor Sylt zu reiten. Allen voran die Rettungsschwimmer-Clique um Uwe Drath, Uwe Behrens und Falk Eitner. Tagsüber wachten sie von ihren Aussichtsposten in den hölzernen Karrenhäuschen über Strand und Wellen, nach Dienstschluss funktionierten sie ihre Rettungsbretter um in Surfbretter. Der damals 28-jährige Uwe Drath war der Erste, der sich 1952 mit seinem über drei Meter langen Rettungsbrett in die Nordseebrandung wagte, um damit zu surfen – ohne Leash, Finne oder die blasseste Vorstellung vom Take-off. Aber mit den allerbesten Absichten: Er wollte seinem Kurschatten vor der staunenden Kulisse des Westerländer Hauptstrandes imponieren. Schon bald wurden die ersten richtigen Surfboards im französischen Biarritz geordert und auch die lang ersehnten Neoprenanzüge fanden den Weg auf die Insel – sehr zur Freude von Rettungsschwimmer-Kollege Jürgen Hönscheid. Der gewann Mitte der siebziger Jahre am Strandabschnitt Seenot den ersten internationalen Brandungswettkampf im Windsurfen. In der Folge wurde auch das Windsurfen immer populärer und Westerland sollte in den kommenden Jahren der wichtigste Tourstopp des Windsurf World Cup Sylt werden. Mit den Wellenvorhersagen im World Wide Web schwappte der Surf-Hype dann auch vom Festland rüber an die Surfspots der Insel. Immer mehr Urlaubs- und Tagesgäste versuchten fortan das kurze Zeitfenster zu erwischen, in denen Wellen und Wind perfekt zusammenpassen.

Arbeitsplatz mit Aussicht: Uwe Drath arbeitete von 1950 bis 1990 am Strand, zunächst als Rettungsschwimmer, später als Badebetriebsleiter. © Archiv Drath

Arbeitsplatz mit Aussicht: Uwe Drath arbeitete von 1950 bis 1990 am Strand, zunächst als Rettungsschwimmer, später als Badebetriebsleiter. © Archiv Drath

Drei Jahrzehnte Surf- und Strandkultur im Sylt Museum
Als leidenschaftlicher Surfer und ehemaliger Rettungsschwimmer weiß Angelo Schmitt um das Zusammenspiel von Wind und Wellen und um die Bedeutung des Wellenreitens für die Insel. „Surfen ist hier nicht mehr nur Wassersport, sondern ein generationenübergreifendes Lebensgefühl, gemeinsame Mentalität und inzwischen fester Bestandteil des kulturellen Erbes der Insel.“ Gemeinsam mit Dennis Bullen und Alexander Römer organisiert und kuratiert er die Ausstellung „LSF52 Surf + Strand Kultur Sylt“, die ab dem 5. Mai im Sylt Museum in Keitum zu sehen ist. Der Name ist Programm: LSF steht für Lichtschutzfaktor, die 52 für die Jahreszahl der ersten auf Sylt gesurften Welle. „LSF52“ bietet keinen Schutz vor Sonnenbrand, dafür aber einen reichen Fundus an Requisiten und Exponaten. „Wir beschränken uns in der diesjährigen Ausstellung zunächst auf die 50er, 60er und 70er Jahre – zu umfangreich ist die Sammlung, zu wertvoll die gehobenen Schätze, als dass wir über 70 Jahre Surfgeschichte in eine Ausstellung packen könnten“, erklärt Initiator Dennis Bullen. Zu den Exponaten gehören Boards und Surf-Equipment ebenso wie Rettungsgeräte und -ausrüstung wie Tröten und Leinen aus drei Jahrzehnten. Dazu kommen Interviews mit den Surfpionieren sowie Fotos und „Super 8“-Aufnahmen aus privaten Sammlungen und aus dem Sylter Archiv.
Mittlerweile ist das Wellenreiten auf Sylt eine fest etablierte und von unterschiedlichsten Generationen gelebte Passion. Angelo Schmitt beschreibt es so: „Die Surfbedingungen haben sich seit den ersten Surfversuchen von Uwe Drath nicht verändert, aber der Surf-Stoke auf der Insel ist so hoch wie nie zuvor – egal ob im düsteren Winter oder volle lotte Sommer.“ Hört sich an nach einer perfekten Welle im Sylter Line-up.
5. Mai 2024 bis 5. Januar 2025
www.soelring-museen.de

In den 1970ern wurden die Boards kürzer und die Jungsurfer um Jürgen Hönscheid mobiler. © Archiv Hönscheid

In den 1970ern wurden die Boards kürzer und die Jungsurfer um Jürgen Hönscheid mobiler. © Archiv Hönscheid